Donnerstag, 27. März 2008

Von Lidl lernen heißt Siegen lernen

Der Preis für den schillerndsten Erklärungsversuch der Woche gebührt ohne Zweifel dem Lidl-Management. Mit den Stern-Recherchen zur Ausspionierung der Mitarbeiter konfrontiert, sagte IM Petra Trabert aus der Chefetage, die Überwachungen "dienen nicht der Mitarbeiterüberwachung, sondern der Feststellung eventuellen Fehlverhaltens". Wo liegt denn da bitte der Unterschied? Ich hoffe stark, dass Schäuble und Konsorten die Lidl-Berichterstattung nicht verfolgen, ansonsten bekommen sie ganz neue Munition in der Debatte um Online-Überwachung und Vorratsdatenspeicherung: "Wir wollen doch nur etwaiges Fehlverhalten der Bürger feststellen!" - "Na, wenn's so ist, wird das schon in Ordnung sein..."

Nimmt man dieses "Fehlverhalten" unter die Lupe, zeigt sich, was Lidl unter Fehlverhalten versteht: Falsche Muttersprachlichkeit ("Die Kräfte Frau E. und Frau F. unterhalten sich, auch vor Kunden, auf polnisch miteinander!" - schließlich soll der Kunde ja nicht unbedingt mitkriegen, dass Lidl polnische Billiglohnkräfte beschäftigt); falscher Netto-Verdienst; falsche Essgewohnheiten; falsche Freizeitplanung. Vorschlag zur Güte: Das tschechische Modell, bei dem Verkäuferinnen, die ihre Tage haben, dies mit einem Stirnband zu erkennen geben müssen, kann doch auch hier Anwendung finden. Wer zu wenig Geld hat, soll dies durch einen mehrfach geflickten Lidl-Kittel zeigen und wer samstags frei haben will, bekommt eine Eselsmütze.

Dass Lidl seine Beschäftigten nicht viel besser als Leibeigene behandelt, ist nichts Neues. Was aber in Menschen vorgeht, die ihre Angestellten auf eine derart widerwärtige Weise bespitzeln und sich dann auch noch mit Floskeln wie "Fairness" und "Vertrauen" dicke tun, weiß ich nicht - weder, was die Lidl-Chefs, noch, was die Detektive betrifft. Vielleicht war der Möchtegern-Nick Knatterton aber auch einfach nur frustriert, dass auch er unter unmenschlichen Bedingungen arbeiten musste: "Die Heizung auf dem Herren-WC funktioniert nicht."

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