Sonntag, 13. Juli 2008

The Great Fuel'n'Fareast Swindle

Fragen Sie mal jemand auf der Straße, warum der Benzinpreis so exorbitant angestiegen ist. Mit einer hohen Wahrscheinlichkeit bekommen Sie die Antwort: Weil die Chinesen so viel Öldurst haben. Diese Erklärung ist dank distanzloser Medien-Nachplapperei am weitesten verbreitet, führt aber dennoch auf die falsche Spur.

Die Wirtschaft im Reich der Mitte boomt nicht erst seit zwei Jahren, und in den letzten zwei Jahren wuchs sie sicher nicht in einem Maße, das die explosionsartige Verteuerung des Rohöls rechtfertigen könnte. Wenn der durch die wirtschaftliche Entwicklung in China bedingte Bedarf tatsächlich maßgeblich für den Weltmarktpreis an Rohöl wäre, so hieße das zwangsläufig, dass die Ölkonzerne in den Jahren bis, sagen wir: 2004, den Barrelpreis nicht entsprechend der dadurch gesteigerten Nachfrage angeglichen hätten - im Endeffekt also eine Schmälerung ihrer Profite hinnahmen. Das kann doch niemand ernsthaft glauben. (Manche Leute, denen diese Unlogik aufgefallen ist, versuchen sich an Erklärungsmodellen, die die derzeit besonderen Umstände berücksichtigen - Stichwort Olympia. Warum ein Sportfest mit ein paar tausend Teilnehmern aber die Weltwirtschaft an den Rand des Zusammenbruchs treiben sollte, erschließt sich mir jedoch nicht.)

Den Chinesen die Schuld am hohen Ölpreis zu geben ist fast so schwachsinnig wie Ausländer für die hohe Arbeitslosigkeit verantwortlich zu machen. Was ich hingegen für einen viel realistischeren Ansatz halte, ist einer, der kaum in den Medien thematisiert wird - vielleicht, weil er so nahe liegt: Nackte Profitgier. Beispiele gefällig? Chevron steigert seinen Überschuss um zehn Prozent auf 5,2 Mrd. Dollar, Exxon sogar um 17 Prozent auf 10,9 Mrd. Dollar, BP - um mal einen europäischen Anbieter zu nennen - um rund 50 Prozent (!) auf 6,6 Mrd Dollar. Alles, wohlgemerkt, im ersten Quartal 2008.

Natürlich steigt die weltweite Nachfrage, und natürlich senkt man bei steigender Nachfrage die Preise nicht. Aber wir sprechen hier nicht von Umsätzen, die durch das hohe Preisniveau künstlich aufgebläht werden, sondern von Gewinnen. Und da der Markt seit jeher in den Händen einiger weniger Multis ist, greifen auch keine anderen marktwirtschaftlichen Regeln. Öl ist eben nicht irgendeine Ware, sondern ein Produkt, ohne das die Industrienationen nicht auskommen - eine Einladung zum Gelddrucken, zumal in Zeiten, in denen jede gesprengte Pipeline in Nigeria als zusätzliche Rechtfertigung herhalten muss.

Nicht zu vergessen die Rolle von Börsenspekulanten. Dass diese fleissig mit an der Preisschraube drehen, ist durchaus nichts neues. Nicht einmal das Investorenblatt "Fortune", sicherlich nicht der übermäßigen Kapitalismuskritik verdächtig, bezweifelt deren Rolle bei der galoppierenden Preissteigerung. Dass die Internationale Energieagentur, eine von den Industrienationen kontrollierte Organisation, den Börsen jegliche Verantwortung abspricht und weiterhin mit dem Finger in den Fernen Osten zweigt, ist ebenso nachvollziehbar wie lächerlich - vor allem, wenn die Agentur selbst von einer jährlichen Wachstumsrate der Nachfrage von lediglich 1,6 Prozent bei gleichzeitig leicht wachsender Produktionsmenge ausgeht.

Und während wir uns an der Tankstelle verwundert die Augen reiben, ist längst Stufe zwei der Operation "Enduring Robbery" angelaufen: Das Volk wird schon mal darauf eingestimmt, sich mittelfristig an diese Preise gewöhnen zu müssen - was nichts anderes heisst, als den Familienschmuck für ein paar Tankfüllungen herzugeben. Dafür hat wenigstens der andauernde Streit um Erbrechtsfragen ein Ende - wer will schon Omas Häuschen behalten, wenn er's im Winter nicht heizen kann?

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Eben:
Warum ziehen die Ölmultis die Preise an?
Weil sie es können.