Mittwoch, 11. März 2009

Wer die Wahlen hat, hat auch Qualen

Ein gar lust'ger Streit schwelt derzeit in Nordrhein-Westfalen. Dort soll nach dem Willen der schwarz-gelben Landesregierung das Superwahljahr 2009 für die eigene Bevölkerung noch viel superer werden, indem die Wähler innerhalb von vier Wochen gleich zweimal zur Urne getriebenrufen werden: Am 30. August sollen zunächst die Kommunalwahlen stattfinden, bevor dann am 27. September die Bundestagswahl auf dem Programm steht. Bereits am 7. Juni steht die Europawahl an. "Unfug", denkt sich jetzt vielleicht manch einer, der sich einen Rest gesunden Menschenverstandes bewahrt hat. Schließlich könnte man doch bestimmt zwei Wahlen zusammenlegen - das spart doch sicherlich Geld. Aber so einfach ist es natürlich mal wieder nicht.

42 Millionen Euro Mehrkosten kommen auf das Staatssäckel zu, wenn beide Wahlen getrennt voneinander abgehalten werden, rechnet der Bund der Steuerzahler vor. Stimmt gar nicht, hält das Innenministerium dagegen, es seien nur viereinhalb Millionen Euro. Die Opposition ruft Zeter und Mordio und beginnt mit der Sammlung von Unterschriften, der Steuerzahlerbund kündigt massive Proteste an. Das alles ficht die Regierung jedoch nicht an."Wir wollten, dass sie [die Kommunalwahlen] ihr eigenes Gewicht behalten und nicht von der Bundestagswahl erdrückt werden", warf sich der kommunalpolitische Experte der CDU, Rainer Lux, in die Brust. Dass ich nicht lache: Bei nahezu jeder Landtags- oder Kommunalwahl zwischen 1998 und 2005 wurde den Leuten von den Unions-Trommlern eingetrichtert, dass sie mit ihrer Stimme gefälligst auch über die Bundespolitik abzustimmen hätten; und dementsprechend werden Kommunalwahlergebnisse seit Menschengedenken interpretiert. Was Lux lieber nicht erwähnt: Von einer niedrigen Wahlbeteiligung - von der auszugehen ist, wenn die Menschen inklusive Europawahl innerhalb von nicht einmal vier Monaten drei Mal wählen gehen sollen - profitiert erfahrungsgemäß die FDP.

Dabei hat die konservativ-liberale Allianz in Düsseldorf doch schon auf die Kostenbremse gedrückt: Denn künftig soll es bei den Kommunalwahlen keine Stichwahl mehr geben. Der Kandidat mit den meisten Stimmen gewinnt - und wenn er es nur auf dreißig Prozent bringt. Stelle ich mir spannend vor, wenn etwa eine Großstadt plötzlich von einem Oberbürgermeister regiert wird, den zwei Drittel der Wähler nicht wollten. Hiervon profitieren wiederum vor allem die beiden Volksparteien. Auch dieses Vorhaben prangern SPD und Grüne an - und die Antwort des Gegners ist wirklich putzig: "Blankes Unwissen" seitens der Opposition konstatiert FDP-Fraktionschef Papke. "Bei Bundestags- und Landtagswahlen werden Direktmandate seit Gründung der Bundesrepublik mit einfacher Mehrheit ohne Stichwahlenvergeben", wischt der Mann alle legitimatorischen Bedenken oberlehrerhaft vom Tisch. Ob er selber gar nicht merkt, dass er hier von etwas völlig anderem spricht? Oder ist es ihm völlig egal, weil er davon ausgeht, dass der Durchschnittswähler den Unterschied zwischen Kommunal- und Bundestagswahl eh nicht kapiert - siehe oben? Mit so was macht man also Karriere bei den Liberalen.

Papkes Amtskollegin bei der SPD merkte an, sie fände es aberwitzig, dass Deutschland im Kongo die Durchführung von Stichwahlen absichere, diese aber gleichzeitig in NRW abgeschafft werden sollen. Der Generalsekretär der CDU, Hendrik Wüst, wiederum forderte natürlich umgehend eine Entschuldigung für diesen "Kongo-Vergleich", der "alle Demokraten beleidige". Merkwürdig: Ich fühle mich gar nicht beleidigt. Ich sehe hier auch keinen Vergleich. Hat doch niemand gesagt, dass in NRW Zustände wie im Kongo herrschten. Was faselt der Mann da? Ist es manchem Politiker womöglich schon so sehr in Fleisch und Blut übergegangen, dass man auf jede Äußerung des politischen Gegners sofort mit der Undemokratiekeule loszuschlägern sowie mit der Forderung nach Entschuldigung zu reagieren hat, ohne zuvor auch nur kurz das Gehirn mit der Sache zu behelligen?

Es ist erschreckend, auf welchem Niveau die Koalition argumentiert: Sie reden von völlig anderen Dingen, vergleichen Äpfel und Birnen und legen der Opposition Aussagen in den Mund, die so nicht gefallen sind. So streitet man sich vielleicht auf dem Schulhof, aber nicht im Landtag. Außerdem muss man Gerechtigkeit walten lassen: Die Landesregierung wollte ja ursprünglich zwei Wahlen zusammenlegen, nämlich die Kommunalwahl mit der Europawahl am 7. Juni. Das hat das Verfassungsgericht gekippt, da ein Wahltermin viereinhalb Monate vor dem Beginn der eigentlichen Wahlperiode (!) doch arg bedenklich schien. Die Opposition hatte die Klage angestrengt - also ist sie ja irgendwie gewissermaßen selber schuld, dass die Wähler jetzt dreimal antanzen müssen. Das kommt davon, wenn man allzu viel Wert auf ein nachvollziehbares Wahlsystem legt. Sollen sie doch nach drüben gehen. Also in den Kongo.

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