Freitag, 22. Mai 2009

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser scheiße

Dass sich eine Handvoll Kapitalisten bemüßigt fühlt, gegen das geplante Gesetz zur Regulierung von Managergehältern Sturm zu laufen, ist ja nichts Außergewöhnliches. Für Stirnrunzeln mag es vielleicht beim einen oder anderen sorgen, dass es im aktuellen Fall ausgerechnet Aufsichtsräte sind, die sich für die armen, gebeutelten, vom Hungertod bedrohten Manager in die Bresche werfen. Aber das muss niemanden verwirren: Denn die größten Kritiker der Elche waren früher bekanntlich selber welche. Und in diesem Falle haben sie nie aufgehört, Elche zu sein.

Zwölf Aufsichtsratsvorsitzende haben also Kanzlerin Merkel in einem Brandbrief aufgefordert, sie möge diese dämonischen Kommunistenpläne doch fallen lassen. Einen triftigen und für jeden nachvollziehbaren Grund dafür mag das dreckige Dutzend der börsennotierten Wirtschaft indes nicht nennen. Statt dessen machen sie einen auf beleidigte Leberwürste. Das klingt dann so (ich zitiere aus dem Handelsblatt):
"In dem Brief bringen die zwölf Aufsichtsratsvorsitzenden ihr Missfallen darüber zum Ausdruck, 'dass die Diskussion über Managergehälter ein falsches Bild der wirtschaftlichen Verantwortungsträger reflektiert'. Die entsprechenden Pläne der Koalition seien nicht geeignet, da sie 'die Vertragsfreiheit der Unternehmen stark einschränken und damit von vornherein deutlich Misstrauen signalisieren'."
Jaja - dass Begriffe wie "Vertrauen" und "Misstrauen" in Unternehmen anders definiert werden als in der normalen Welt, wissen wir seit Lidl, Telekom und Kaiser's. Und dass die Vertragsfreiheit für Unternehmen eingeschränkt werde, liegt in der Natur der Sache: Jedes Gesetz schränkt irgendeine Freiheit ein. Nehmen wir zum Beispiel mal das BKA-Gesetz - aber von dem sind Unternehmen sicherlich am allerwenigsten betroffen.

Außerdem wüten die Unterzeichner gegen den Plan, dass ein Manager künftig zwei Jahre warten soll, bevor er einen Aufsichtsratposten übernehmen darf. Der Initiator des Schreibens, Gerhard Cromme, weiß, wovon er spricht: er tauschte 2001 in fliegendem Wechsel den Stuhl des ThyssenKrupp-Vorstandsvorsitzenden gegen den des ThyssenKrupp-Aufsichtsratsvorsitzenden. Auch Mitunterzeichner Martin Kohlhaussen wechselte im selben Jahr seinen Platz vom Vorstand in den Aufsichtsrat, bei der Commerzbank nämlich; und Eggert Voscherau tat selbiges bei BASF. Bei den anderen neun hatte ich keine Lust mehr zu suchen - ich sach' ma: "Abbildung ähnlich".

Für alle, die es nicht wissen: Der eine Posten (Aufsichtsrat) ist eigentlich dazu da, den anderen (Vorstand) zu kontrollieren. Deshalb heißt diese Institution auch so. Und nun ist es offenbar Usus, dass nicht nur abgehalfterten Politikern ohne viel Sachkenntnis Aufsichtsratsposten zugeschoben werden - nein, auch die eben noch "kontrollierten" Vorstände werden anschließend selbst zu Kontrolleuren. Ein Schelm, wer da keine, nun ja: Interessenkollision vermutet. Der Schwarzfahrer wird, statt Strafe zu zahlen, zum Schaffner befördert; der Räuber zum Polizisten. "Der tiefe Einblick von Vorständen in ihre Unternehmen helfe ihnen später bei der Wahrnehmung der Kontrollaufgaben", zitiert Spon aus dem Schreiben - ja, das glaube ich gern, dass dieser tiefe Einblick später nochmal hilfreich sein könnte.

Aber vielleicht habe ich das mit der Kontrollfunktion auch nur komplett falsch verstanden. Denn weiter heißt es:
"'Unangebracht' sei ferner die Pflicht des Aufsichtsrates, die Vergütungen in bestimmten Fällen wie etwa Sorgfaltspflichtverletzungen zu kürzen. 'Falsch' sei nicht zuletzt der Vorschlag eines Selbstbehaltes bei der Manager-Haftpflicht.
Na, wenn es "unangebracht" ist, dass das Kontrollgremium den Schuldigen zur Rechenschaft zieht, dann ziehe ich meine oben angebrachten Ausführungen zurück. Und das mit der Manager-Haftpflicht sehe sicher auch ich total "falsch".

Ich verstehe eben nichts von wirtschaftlichen Dingen.

1 Kommentar:

Herr Liebreiz hat gesagt…

Witzig ist daran - allenfalls - die unredliche Unverblümtheit, mit der hier der Deutsche Michel wieder mal vereiert wird. Waschen ja, Nass werden nein. Haften ja, aber bitte ohne Konsequenz. Meinethalben sollten fahrlässige und risikobehaftete Fehlentscheidungen nicht mit einem Jahresgehalt sondern mit der Haftung aus dem Privatvermögen abgegolten werden.

Schön auch, dass sich die Herren gegen eine "Verrechtlichung" (lauert hier ein neues Unwort des Jahres?) ansinnen, während da draußen Arbeitnehmer mit verprobten, befristeten 7 Euro-Brutto-Verträgen zerknebelt werden.

Ja, schöne neue Welt. Was dem einen die Eule, ist dem anderen das Nachtgespenst.