Dienstag, 16. Juni 2009

Ave Publikum, morituri te salutant

Jippie, hurra, wurde auch Zeit: "Ultimate Fighting" ist endlich in Deutschland angekommen. Eine weitere Errungenschaft, die die Welt nicht braucht - aber offenbar gehört es momentan zum grundlegenden intellektuellen Rüstzeug einiger selbsternannter Moralapostel, diese ominösen Gewaltorgien - tschuldigung: Kampfkunstveranstaltungen - irgendwie doch gut zu finden und darüber zu jubeln, dass solche Veranstaltungen erstmal nicht untersagt werden. Denn schließlich ist es nur ein Sport und es gibt ja schon genug Verbote, oder? Um mal wieder eine unpopuläre Meinung zu vertreten: Nein, ein paar mehr könnten manchmal nicht schaden. Und die Menschheit würde auch ohne eine derartig widerwärtige Zurschaustellung von roher Brutalität überleben.

Die schon viel zu oft gehörte Argumentation läuft in etwa so: Warum sollte man es denn verbieten, wenn zwei erwachsene Menschen sich treffen, um die Scheiße aus dem jeweils anderen herauszuprügeln? Die wissen doch schließlich, was sie da tun. Und warum sollte man Menschen, die gerne dabei zusehen wollen, wenn Blut spritzt und Zähne fliegen, daran hindern? Wer nicht will, muss ja nicht dabeisein. Das übliche sonstige Rechtfertigungsgefasel der Befürworter lasse ich mal außen vor: Es gebe beim UF keine schweren Verletzungen; die Sportler seien keine hirnlosen Raufbolde, sondern allesamt Gefäßchirurgen oder Mathematikprofessoren oder so usw. rhabarber blablabla. Ermüdend.

Mit diesen Pseudoargumenten verteidigt seit jeher jeder Anhänger eines barbarischen Rituals seine Vorlieben; damit kann man jede noch so monströs perverse Brutalität schön reden. Man sollte sich hingegen mal fragen, warum es 13.000 Leute offensichtlich geil finden, dabei zuzuschauen, wenn zwei Typen derartig aufeinander eindreschen, dass nachher der Ring voller Blut ist? Warum johlen diese Leute, wenn jemand einen Tritt an den Kopf kriegt, und zahlen dafür horrende Eintrittspreise? Warum jubeln sie, wenn ein Kämpfer seinen Gegner bis zur Bewusstlosigkeit würgt? Was für animalische Triebe werden damit befriedigt? Fänden die Zuschauer es dann konsequenterweise noch geiler, wenn jemand mal wirklich totgeprügelt wird?

Spon zitiert einen Fan mit folgenden Worten: "Das ist Adrenalin pur, nicht so durchgestylt wie zum Beispiel Boxen im Fernsehen. Da geht es ja nur noch um die Show. 'Ultimate Fighting' ist einfach authentischer." Was soll denn der Begriff "authentisch", sprich "originalgetreu" in diesem Zusammenhang bedeuten? Was ist denn hier das Original? Der Kampf um die Höhle, das Weibchen, das letzte Mammutsteak? Die Gladiatorenkämpfe im Circus Maximus? Während Boxen demzufolge also nur noch ein schwuchteliges So-tun-als-ob ist, ist Ultimate Fighting ein authentisches Sich-gegenseitig-schwer-verletzen-oder-gleich-umbringen-wollen?

Mir macht das Angst: Durch solche Events stumpft die ohnehin schon immer stärker an alltägliche Gewalt gewöhnte Gesellschaft noch weiter ab. Das erwähnte und allseits beliebte gegenseitige Indiefressehauen alias "Boxen" ist ja schon längst zu einer Art modernem Kulturschaffen verklärt worden, und von der unüberschaubaren Ästhetisierung von Gewalt in Kino, Musik und Videospiel will ich hier gar nicht erst anfangen. Gewalt stellt, so fürchte ich, längst kein Tabu mehr dar, sondern einen normalen Teil der menschlichen Natur. Das ist sie vielleicht auch - aber ihre Anwendung oder eben Nichtanwendung macht den kleinen Unterschied, der allgemein als "Zivilisation" bezeichnet wird.

Ich frage mich manchmal, ob die Menschen wirklich so große Fortschritte gemacht haben, seit sie im alten Rom mit ihrem Daumen das Todesurteil für den unterlegenen Kämpfer gefällt haben. Das wäre dann wohl heute der nächste logische Schritt in der Branche: "Ultimate Fighting 'til Death". Vielleicht könnte man langweilige Kämpfe aufpeppen, indem man einen Löwen in den Ring lässt.

Warum sollte das illegal sein? Die Kämpfer machen das doch freiwillig, sind im normalen Leben geachtete Ärzte und Juristen und man muss ja nicht zugucken blah blah blah.

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