Donnerstag, 8. Oktober 2009

Arzt: "Wie geht's uns denn heute?" - Patient: "Kommt drauf an. Was hätten Sie denn gerne?"

Wie krank das deutsche Gesundheitssystem ist, ließ sich am Montag mit einem Blick auf die Spon-Homepage erfassen: Da plündern Ärzte und Kassen den Gesundheitsfonds scham- und restlos aus, sind sich anschließend nicht zu schade, auch noch "Mehr! Mehr! Meeeeehr!!!" zu schreien und die Politik reagiert sofort, indem sie sich den Kopf zerbricht, wo man mal eben so 7,5 Milliarden Euro herbekommen könnte, um sie dem mafiösen System in den nimmersatten Rachen zu werfen; während gleichzeitig die Qualitätssicherung der Patientenversorgung dadurch dokumentiert wird, dass ein Hochstapler es mit schlecht gefälschten Zeugnissen schafft, binnen weniger Minuten eine Stelle als Chirurg zu bekommen und länger als ein Jahr zu behalten und schließlich fehlerhafte Praxissoftware tausenden Rentnern Aids anhängt. Auch wer sich vorher nicht krank fühlte, möchte sich nach diesen Informationen wohl erstmal wieder ins Bett legen.

Es ist schon seit langem bekannt, dass die Systematik des Gesundheitsfonds Kassen begünstigt, die über viele wirklich kranke Beitragszahler verfügen. Ursprünglich war das mal dafür gedacht, dass Kassen, die traditionell viele ältere Patienten versichern, im Gegensatz zu anderen durch die dadurch anfallenden höheren Kosten nicht schlechter dastehen. Dass diese Regelung letztlich alle Kassen dazu verführt, möglichst vielen Versicherten möglichst schröckliche Pestilenzen anzudichten, um mehr Kohle aus dem Fonds abzugreifen, dürfte daher niemanden überraschen. Das Gesundheitssystem war schon immer ein Selbstbedienungsladen für Ärzte, Pharmaproduzenten und Apotheker; jetzt dürfen auch die Versicherer so richtig mitmachen beim Ringelpietz mit In-die-Kasse-fassen.

Vermutlich wussten die Berliner bislang noch gar nicht, dass der größte Teil von ihnen schwer malad ist: Sie stehen laut eines Berichts an der Spitze der gemeldeten Erkrankungen. Die Kassen sind den Ärzten sehr behilflich dabei, Patienten im wahrsten Sinne des Wortes krankzuschreiben; das entsprechende Zauberwort heißt "Codierung" - in der Akte wird eine Krankheit vermerkt, die möglichst viel Geld einbringt. Dass ich dabei spontan das Bild von Cowboys vor Augen haben, die ihren Rindviechern Brandzeichen verpassen, ist sicher nur ein Zufall. Schizophrenie kann man einem schließlich nicht auf den Arsch brennen, aber eben in die Akte schreiben, ich meine natürlich "codieren" - und schwupps bekommt die Kasse 6000 Euro mehr aus dem Fonds, der Arzt ein höheres Honorar - und der Patient im schlimmsten Fall Psychopharmaka. Woran selbstredend die Industrie wiederum gut verdient.

Wenn man Menschen auf der Straße fragen würde, ob sie ihrem Hausarzt so etwas zutrauen, würden mit Sicherheit 99 Prozent antworten: "Nein, mein Arzt macht sowas nicht, nur andere." Ich denke das im Übrigen auch. Aber irgendwelche Halbgötter in Weiß beteiligen sich nun einmal an diesem höchst weltlichen Geschäft, sonst gäbe es das Problem nicht; aber sich zu vergegenwärtigen, dass eventuell auch der eigene Hausarzt - der für Viele eine Vertrauensperson ist, der gleich nach dem Ehepartner kommt, manchmal sogar vor ihm - einen als Goldesel missbraucht und vielleicht sogar mit Medikamenten vollstopft, die man gar nicht braucht, ist eine ziemlich harte Lektion, die niemand lernen will, wenn's nicht unbedingt sein muss.

In einem System, das mit Preisdiktaten, Lobbyismus, Drohungen und einer Menge Schmiergeldern am Laufen gehalten wird und in dem durchaus auch so mancher Patient seinen Teil beiträgt, indem er wegen jedem kleinen Zipperlein zum Arzt rennt und sich wegen jedem Scheiss kiloweise Tabletten einwirft, ist mehr als nur ein Wurm drin. Kein System ist wohl öfter offiziell reformiert und gleichzeitig trotzdem in seinen Strukturen unverändert belassen worden. Da traut sich niemand heran, weil er befürchten muss, dass in einer dunklen Seitengasse ein wütender Mediziner mit einer Insulinspritze auf ihn wartet.

Darüber, wie sich die Deutschen seit Jahrzehnten von der Gesundheitsindustrie tagtäglich über den Tisch ziehen lassen, lachen sich einige unserer Nachbarländer scheckig. Dem Normalpatienten dürfte selbiges im Halse steckenbleiben: Er wird zum simplen Rohstoff, mit dem Geld verdient wird. Und wie jeder andere Rohstoff wird er eben möglichst profitbringend ausgebeutet.

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