Mittwoch, 26. Januar 2011

Der tut nix, der will nur spielen

Es gibt Worte, die kann man schlicht und einfach nicht mehr hören - vor allem, wenn sie überstrapaziert und inflationär häufig gebraucht werden und dann auch noch als Feigenblatt für unschöne Politik herhalten müssen. Aber es ist wie mit dem nervigen Ticken einer Standuhr: Wenn man es plötzlich nicht hört, obwohl man es erwartet, fällt es einem sofort auf. Und als ich Montag früh die Radionachrichten auf NDRinfo verfolgte, hätte ich während einer bestimmten Meldung einen bestimmten Begriff trotz seiner Ausgelutschtheit eigentlich ganz gerne vernommen. Habe ich aber nicht. Und auch einen zweiten nicht.


Es ging um das Kuhkaff Becherbach im Pfälzischen; und noch während die Meldung heruntergeleiert wurde, änderte sich meine Wahrnehmung des Sachverhalts im Sekundentakt. Nach einem Sprengstofffund müsse das Dorf evakuiert werden, hieß es einleitend (das war, nebenbei bemerkt, auch der Kern der Meldung und nicht all das, was jetzt noch folgt). Aha, dachte ich, verirrte Fliegerbombe oder so. Das war aber nicht der Fall: die Polizei habe ein ganzes in einer Scheune verstecktes Sprengstofflager ausgehoben. Oho, dachte ich. Mit 50 Kilogramm Nitroglycerin und einer Menge anderer Waffen. Eieiei, dachte ich. Mieter der Scheune sei ein 62-Jähriger gewesen. Alles klar, dachte ich nun resümierend - und dann das: "Die Polizei geht davon aus, dass es sich um einen Sammler handelt." Damit war die Meldung durch. Und was ich dann dachte, lässt sich am besten mit dem Ausdruck "Hä? Was zum ...!" zusammenfassen.

Das eine Wort, das ich in diesem Zusammenhang gerne gehört hätte und auf das ich vergeblich gewartet habe, war "Terror" (in all seinen Abwandlungen). Das andere, das ebenfalls nicht fiel, war "Rechtsextremist" oder "Neonazi".

Noch während die Nachricht lief, wurden mir einige Sachen klar. Natürlich gibt es eine Menge Militariafreaks, die Waffen sammeln, und nicht alle sind gleich hochideologisierte Staatsfeinde. Wer aber gezielt Massen an Schusswaffen, Handgranaten, Minen und Panzerfäusten und sogar Armeefahrzeuge sammelt, kommt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aus dem rechtsextremen Lager oder ist nationalistischem Gedankengut in aller Regel zumindest nicht abgeneigt. Zumindest habe ich noch nie von marxistischen Splittergrüppchen gehört, die sich Kübelwagen in die Garage und Tellerminen ins Regal stellen.

Dass "Pulver-Kurt", wie er nun neckischerweise genannt wird, tatsächlich einigermaßen tief in der Naziszene steckt, war nach meinem Überblick bislang im Übrigen nur in einem einzigen Medium zu lesen. Und das heißt ausgerechnet Bild.de. Auch die hat das Ganze zwar heruntergespielt - "... trug bei Soldatenspielen Naziabzeichen" - aber wer macht denn schon sowas? Durch den Wald robben, mit echten Gewehren spielen und dabei Waffen-SS-Uniformen tragen? Eben. Die Fotos in der Klickstrecke sprechen eine eindeutige Sprache. Die scheint die Vokabel "Terror" allerdings nicht zu kennen.

Zwar müssen, wie gesagt, solche Sammler von mehr oder minder modernem Kriegsgerät nicht unbedingt immer von dezidiert politischen Beweggründen geleitet werden, zumeist reicht es, einfach nur so einen an der Klatsche zu haben. Aber kein Sammler sammelt aus Gründen der bloßen Vervollständigung seines Bestands riesige Mengen eines einzelnen Zeugs, das optisch nicht einmal viel hermacht - und schon gar nicht, wenn es sich um einen ganzen Zentner hochbrisanten Sprengstoff handelt. Um seine Sammelleidenschaft zu befriedigen, hätte eine weitaus kleinere Menge gereicht; Hauptsache, es befindet sich etwas davon in der Sammlung. Genausowenig würde ein Briefmarkensammler zehn Säcke Automatenmarken heranschaffen. Oder ein Sammler von Aschenbechern zwölf Dutzend identische Plastikbecher mit dem Werbeaufdruck eines bestimmten Tabakkonzerns.

Wer einen Zentner Nitro hortet, hat damit etwas vor. Zumindest müsste diese Annahme die Grundlage jedes weiteren Umgangs mit dieser Geschichte sein, will man sich nicht der vollkommenen Oberflächlichkeit, Blauäugigkeit und Naivität ergeben. Und was kann man mit soviel Sprengstoff schon anfangen? Etwas sprengen selbstverständlich. So etwas würde man "Schlag" oder "Angriff" oder meinetwegen auch "Friendly Fire" nennen, wenn es ein Militärangehöriger macht. Wenn eine Privatperson es macht, wählt man ein anderes Wort: "Terror".

Nichts anderes hatten die Sauerlanddeppen oder die Kofferbombenspinner ja vorgehabt: Mit Sprengstoff etwas in die Luft jagen und dabei Menschen töten. Warum also wird dieser so wichtige Aspekt dieser Nachricht unterschlagen? Warum nicht einmal eine haltlose Mutmaßung über mögliche Anschlagspläne eingestreut, so wie es sonst eigenlich immer der Fall ist, wenn einer der allseits beliebten Terrorvideos eintrudelt? Warum heißt es in diesem Fall nur lapidar, dass ein 62-jähriger Sammler zuviel Kawummzeug gesammelt und ein Dorf deswegen einen schlechten Start in die Woche hatte?

Der Verdacht liegt nahe: Weil es sich um einen rechtsextremen Deutschen handelt. Beide Aspekte spielen hier eine zentrale Rolle. Man stelle sich den Fund von auch nur drei altersschwachen Pistolen in einem Antifa-Zentrum vor. Oder noch besser: Man stelle sich vor, es hätte sich beim Sammler um einen Ausländer gehandelt, einen muslimischen gar - meine Güte, was wäre jetzt im Lande los! Polizisten mit MPs vor jedem Lidl-Markt, Panzerfahrzeuge an wichtigen Kreuzungen, CSU-Hinterbänkler vor den Kameras.

Stattdessen: Einmal ablachen bitte, der "Pulver-Kurt", hahaha - Thema durch, zurück ins Studio. Der Mann mit dem Hau, der aber wenigstens - hey! - einen Waffenschein hatte und im Schützenverein war, wie es sich gehört, ist nicht mehr als eine dahingerotzte Nachricht wert, die der Volontär lustlos von der Tickermeldung abgepinnt hat.

Man könnte noch einwenden, dass es natürlich mehr Aufsehen erregt hätte, wenn ein islamistischer Eiferer so viel Tötungsgerät angehäuft hätte, schließlich hassen uns die Handtuchköppe und wollen uns doch alle umbringen und so. Schnell wären Dutzende Hintergrundseiten und -berichte gestrickt, mit Forderungen nach Sicherheitsverschärfungen und Bundeswehreinsatz im Innern, Interviews mit Peter Scholl-Latour sowie Extra-Infokästen mit sämtlichen geglückten und versuchten Terroranschläge der letzten Jahre und Jahrzehnte.

Außer einem freilich: Dem letzten in Deutschland, der tatsächlich zur Durchführung kam, dazu auch der schwerste mit einer Vielzahl an Opfern und mehreren Hundert Verletzten - dem Anschlag auf das Oktoberfest 1980.

Und der wurde von einem Rechtsextremisten verübt.

5 Kommentare:

Pathologe hat gesagt…

Terror kommt immer von außen. Kurti hatte halt nur Pech, dass da ein Reporter vor Ort war. Ansonsten hätten das seine politischen Freunde einfach unter den Tisch gekehrt. Kleine Verwarnung von der Polizei, Aufteilung der Munition und Sprengstoffe in haushaltsübliche Mengen und Verteilung auf verschiedene Lagerstätten, und gut is.

BomberImpi hat gesagt…

Das Klischee ist doch aber auch zu schön: Ein verwirrter älterer Mann, der tonneweise Sprengstoff daheim lagert. Methusalems Zorn! Das kennt man aus jedem zweiten Trickfilm.

PS: Ich würd die rechtsradikalen Brandanschläge in den 90ern auch als Terror bezeichnen. Auch wenn die Anwohner teilweise jubelnd daneben standen.

Dr. No hat gesagt…

Mittlerweile wird auch die von Pulver-Kurt zur Schau gestellte Naziästhetik weitgehend relativiert.

Mich würde nur interessieren, ob die ganzen Flinten jetzt bei einer Jagdmesse vertickt werden, um dem Steuerzahler einen Teil der Einsatzkosten zu erstatten? Oder gehen sie gleich nach Afghanistan?

ImpiNational hat gesagt…

Pulver-Kurt folgt nun Hehler-Sven:
http://endstation-rechts.de/index.php?option=com_k2&view=item&id=5835:npd-funktion%C3%A4r-in-u-haft&Itemid=410

Die rechte Szene in Deutschland ist wieder obenauf!

Dr. No hat gesagt…

... und gut bewaffnet ist sie auch.

Es ist sicher nur ein Zufall, dass Krüger gerade mal zwei Wochen, nachdem sein national befreites Heimatdorf durch die Medien gerauscht ist und ein unschönes Licht auf Meckpomm geworfen hat, hopsgenommen wird.