Dienstag, 22. März 2011

Knut. Ein nicht übertrieben langer, aber nötiger Nachruf

Ja, das damalige Trara um Knut hat in seinen Auswüchsen irgendwann genervt. Ja, es gab definitiv einen Zeitpunkt, ab dem viele sich nicht völlig zu Unrecht fragten, ob die Welt noch eine Bilderstrecke und noch einen Panoramaartikel und noch einen Anderthalbminüter zum knuddeligen Bärenbaby braucht. Aber was mich persönlich noch viel, viel mehr genervt hat, waren die andauernden möchtegernbesorgten und leicht heulsusigen Weltverbesserermahnungen nach Art von "Uiuiuiui. Alles geht den Bach runter und alle reden bloß über einen Eisbären!" Na und, fragte ich seinerzeit - die Deutschen haben sich schon für weitaus blöderes und schlimmeres begeistert als sich kollektiv in ein Eisbärenbaby (und seinen Ziehpapi) zu verknallen. Dieser mühsam aufgebaute Gegenhype hat mich viel, viel, viel mehr genervt als der offizielle - und jetzt geht er schon wieder los.


Nun ist Knut tot. Ja, er war "nur" ein Eisbär. In ein paar Jahren, wenn es keine mehr geben wird, wird man diese "nur"-Konstruktion zwar eher selten verwenden, aber sei's drum. Seinerzeit konnte man auch froh sein, wenn sich die Gesellschaft mal für ein paar Wochen darum streitet, wer Knut am niedlichsten findet, anstatt dauernd auf Hartz-IV-Empfänger einzudreschen. Und ja, es war fragwürdig, ein in Gefangenschaft geborenes Tier so zu betüddeln, dass darüber die negativen Seiten von Zoos in den Hintergrund rückten - aber die werden ja auch sonst kaum je diskutiert, das ist wohl kaum Knut anzulasten gewesen.

Knut war ein Paradebeispiel dafür, wie Medien quasi aus dem Nichts einen globalen Hype erschaffen können. Das ist etwas, was wir - in verschiedenen Abstufungen - tagtäglich erleben, einen nach dem anderen. Und die allermeisten dieser Popanze sind entweder weitaus bescheuerter, weitaus sinnloser oder - leider nur zu oft - weitaus gefährlicher als ein weißes Pelzknäuel, das jeder süß findet. Wer nicht gemerkt hat, dass hier künstlich etwas aufgeblasen wurde, merkt ohnehin nicht mehr viel; und alle anderen haben ein Lehrstück der modernen Mediengesellschaft erlebt. Insofern hat Knut in soziologischer Hinsicht eine nicht unbedeutende Rolle gespielt.Und ist dabei wesentlich niedlicher als die Bohlens, Klums und Katzenbergers dieser Welt, die ähnliche Funktionen erfüllen.

Und nochmal Ja: Ja, es ist legitim, traurig über Knuts Tod zu sein. Wie vermessen ist es denn, bestimmen zu wollen, was anderen Menschen nahegehen darf und was nicht? Meinetwegen ist es auch legitim, gefakete Verschwörungstheorien in Umlauf zu bringen, um sich über den Knut-Bohei lustig zu machen. Aber diese andauernden moralinsauren Soziopathenrülpser à la "In Japan geht die Welt unter und ihr heult über einen Eisbären", über die man derzeit überall stolpert - die könnt ihr euch sonstwo hinstecken. Niemand, der noch bei klarem Verstand ist, misst Knuts Tod mehr Bedeutung bei als Fukushima oder Libyen, egal ob er nun Rotz und Wasser heult oder nicht. Aber anderen einen Prioritätenkatalog für Betroffenheitsmuster aufdrücken zu wollen - das finde ich weitaus fragwürdiger als um einen Eisbären zu weinen.

1 Kommentar:

Hug-Me-Impi hat gesagt…

Pah! Der wirkliche Skandal ist doch, dass eine unheilige Allianz aus Gaddafi, Guttenberg, Knut und Japan der armen Heidi, dem schielenden Opossum, derzeit die Show stehlen. Ich fordere daher auf: Mehr Sendezeit für Heidi!

http://www.cutewood.de/images/455_schielendes_opossum.jpg