Donnerstag, 6. September 2012

The Show must go on and on and on

Finde ich schon lustig, wie bei der Castingshow namens "US-Präsidentschaftswahl" versucht wird, künstlich Spannung zu erzeugen. Unlustig finde ich... nun, alles andere.


Obama müsse, so heißt es jetzt allüberall in mit bedeutungsschwangerer Stimme eingesprochenen TV-Neunzigsekündern, sich angesichts des umjubelten Auftritts von Romney etwas ausdenken, um den Menschen zu erklären, warum sie ihn wiederwählen sollten. Ich wage die Behauptung: Muss er gar nicht lange überlegen. Wäre ich Obama, würde ich einfach sagen: "Wählt mich, denn sonst bekommt ihr den Volldeppen Romney!"

Ansonsten gilt: Im Westen nichts Neues. Die Rolle von Joe, dem Klempner, übernimmt in diesem Jahr ein ausgemergelter Schuhmacher aus Ohio; den Namen habe ich vergessen. Die ihm zugedachte Funktion als von der Obrigkeit gekniffenen "kleinen Mann von der Strape" füllt Bill - nennen wir ihn einfach mal so - jedenfalls besser aus als Joe, der mit seinen Steuerzahlungen in Millionenhöhe auf... nun ja, hohem Niveau jammerte. Da macht es mehr Sinn, jemanden, der nur noch drei Zähne im Mund hat, über Obamas Gesundheitspläne schimpfen zu lassen.

Ans Messer geliefert Den Kamerateams vermittelt wurde Bill mit Sicherheit von republikanischen Strategen, und die deutschen Privatsender sind blöd genug, darauf reinzufallen. Ich weiß nicht, ob die öffentlich-rechtlichen ihn auch gezeigt haben, wundern würde es mich auch nicht wirklich. Wenigstens wird man noch halbwegs darauf hingewiesen, dass der US-Wahlkampf im Wesentlichen mit Lügen geführt wird, und zwar ganz unverhohlen. Irgendwann wird aber auch das nur noch auf den Status einer Tertiärinfo abgerutscht sein, denn beim Nachweis von Lügen muss man sich mit Inhalten beschäftigen - und beim US-Wahlkampf geht es doch nur um eines: Die Show.

Da wird dann ein unglaubliches Gewese um die - vermutlich schon jetzt als "historisch" gewerteten - Reden der Kandidaten gemacht, über den frenetischen Jubel der Zuhörer salbadert und die Fußstampflautstärke zum Gradmesser für die Wahlchancen hochstilisiert. Meine Güte, Romney und Obama haben auf ihren jeweiligen Parteitagen gesprochen! Also vor ihren eigenen Anhängern - da ist das doch kein Wunder, dass es Jubel gibt. Die wissen es, die Journalisten wissen es und wir wissen es auch - trotzdem darf niemand den Raum verlassen, bevor er nicht mit 30 Leitartikeln und zehn Sondersendungen zu den - aber auch so was von zukunftsweisenden - Reden von Lolek und Bolek zugeschüttet worden ist.

Und wenn irgendwer in den Redaktionen das ungute Gefühl hat, dass sich der Punkt, an dem das Thema in bezug auf die Protagonisten überdreht werden würde, unweigerlich nähert, schubsen sie die beiden eigentlichen Handlungsträger eben für zwei Tage vor den Kameras weg und zerren stattdessen ihre Ehefrauen davor. Ein Riesengeschrei um Michelle Obama und Ann Romney und das vollkommen konstruierte angebliche "Duell der First Ladys" - es ist zum Heulen. Vor allem, wenn man bedenkt, dass das alles den üblichen autistischen Neigungen der Medienwelt geschuldet ist - mich würde mal interessieren, wieviel Prozent der politischen TV-Berichte und Artikel nicht für das Publikum, sondern für die Kollegen in den Konkurrenzredaktionen produziert werden: "Guckt mal, was für abgefahrene Ideen wir haben! Nänänä!" Dass nicht einmal die Amerikaner so verpeilt sind, ihre Stimme vom Ehepartner des Kandidaten abhängig zu machen, interessiert da nicht.

Das Ganze wird noch garniert mit stündlichen Wetterberichten von der US-Golfküste, damit wir live dabei sein können, wenn's bei den Republikanern regnet, und Bilderstrecken von lustig angezogenen Provinzpolitikern und kreischenden Kandidatengroupies. Man könnte das wirklich ehrlicher angehen und wirklich eine Art "ASDSM" (Amiland sucht die Supermarionette) machen. Als Jury schlage ich vor: Rupert Murdoch, Henry Kissinger, ein beliebiges Mitglied des Kennedy-Clans - und die Rolle der Quotenfrau übernimmt Oprah Winfrey. 

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